Ausgangssituation

In der österreichischen Landwirtschaft zeichnet sich - genauso wie in vielen vergleichbaren europäischen Ländern - ein deutlicher Strukturwandel ab. Dieser ist unter anderem durch einen Rückgang der Viehwirtschaft und der Milchproduktion gekennzeichnet. Als Folge dieses Strukturwandels steigen die verfügbaren, ungenutzten Potenziale an Grünlandbiomasse (Gras, Klee, Luzerne etc.) bzw. an nicht mehr bewirtschaftetem Grünland (Bracheflächen). Laut Schätzung der Bundesanstalt für Alpenländische Landwirtschaft (BAL)/Gumpenstein werden österreichweit mittelfristig 750.000 Tonnen Trockenmasse pro Jahr an Grünlandbiomasse verfügbar sein. Um dieses für traditionelle Zwecke nicht mehr benötigte Grünland sowie die durch dieses Grünland wesentlich geprägten Kulturlandschaften weiterhin zu erhalten, ist es erforderlich, für die überschüssige Grünlandbiomasse neue Verwertungsmöglichen zu erschließen.

Die Bewirtschaftung von Grünland zählt zweifellos zu den nachhaltigsten Produktionsweisen der Landwirtschaft. Darüber hinaus bietet die stoffliche Nutzung von Grünlandbiomasse ("Gras") eine breite Palette von möglichen Produkten, die bisher im technischen Bereich nicht genutzt werden (Produktion von Chemikalien, biogenen Werkstoffen wie Kunststoff und Verpackungsmaterial und Pflanzenfasern bspw. für Dämmplatten).

Eine innovative Möglichkeit zur alternativen Verwertung überschüssiger Grünlandbiomasse bietet das Technologiekonzept einer so genannten Grünen Bioraffinerie. Die Grundidee: In Analogie zu einer Erdölraffinerie soll der in großer Menge verfügbare und nachhaltig in der Landwirtschaft produzierbare Rohstoff "Grünlandbiomasse" (Gras, Klee, Luzerne etc.) in einer einzigen Verarbeitungsanlage möglichst vollständig (Ganzpflanzennutzung) und ohne Anfall von Abfällen (zero-waste) in eine Vielzahl verkaufbarer Produktgruppen weiterverarbeitet werden. Somit kann mit Hilfe innovativer Technologiekonzepte zur Verwertung der überschüssigen Grünlandbiomasse eine nachhaltige Rohstoffbasis für die Herstellung zukunftsweisender Produkte geschaffen werden.

Die Umsetzung des Technologiekonzepts einer Grünen Bioraffinerie ist ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung wertvoller Kulturlandschaften: Es wird dadurch wieder eine aktive Nachfrage nach dem Rohstoff Gras bzw. Silage geschaffen, der dazu beiträgt, dass Grünlandflächen nicht in Äcker umgewandelt werden, sondern dauerhaft erhalten werden können. Grüne Bioraffinerien haben das Potenzial, den ländlichen Regionen eine neue Form der Wertschöpfung zu eröffnen. Einerseits können bestehende landwirtschaftliche Betriebe abgesichert werden, andererseits entstehen im ländlichen Raum qualifizierte Arbeitsplätze im Bereich der Biotechnologien.

Das Konzept einer Grünen Bioraffinerie in Österreich unterscheidet sich von anderen internationalen Konzepten dadurch, dass es besondere Rücksicht auf die regionalen Bedürfnisse für Österreich typischer ländlicher Regionen nimmt. Ziel ist es, einen kontinuierlichen Ganzjahresbetrieb zu ermöglichen. Daher wird nicht nur frisches Wiesengras verarbeitet, sondern auch Grassilage, die in der Vegetationsperiode bereitet und im Silo gelagert wird.