4.1 PUIS und ihre Eigenschaften: Umweltbezogene Entscheidungs- und Informationsinstrumente

Der Begriff "Produktbezogene Umweltinformationssysteme" bzw. die Abkürzung "PUIS" wurde vom Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW, Deutschland) geprägt und fasst Informations- und Gestaltungsinstrumente zusammen, welche sich prinzipiell dazu eignen, die Umweltauswirkungen von Produkten "von der Wiege bis zur Bahre" zu erfassen.

Umweltbezogene Entscheidungs- und Informationsinstrumente (wie Kennzahlen, Checklisten, Input-Output, Stofffluss- oder Materialfluss-Analysen, ua) lassen sich prinzipiell ebenso auf produktbezogene Fragestellungen anwenden wie Allgemeine Entscheidungs- und Informationsinstrumente (zB ABC- oder Nutzwert-Analyse). Auch Betriebswirtschaftliche Methoden können produktbezogene Informationen liefern. Es existieren verschiedene Methoden der ökologischen Produktbewertung (siehe "Ökologische Produktbewertung – Lebenszyklusbasierte Methoden" und "Ökologische Produktbewertung – Eindimensionale Methoden")die auch als "originäre PUIS" bezeichnet werden können, da sie speziell für die Beurteilung der Umweltauswirkungen von Produkten entwickelt wurden.

Im Folgenden werden verschiedene PUIS näher vorgestellt. Nach einer kurzen allgemeinen Beschreibung werden die Wertgrundlagen und Basisdimensionen einer näheren Betrachtung unterzogen ebenso wie bisherige Anwendungsbereiche und prinzipielle Eignung für bestimmte Anwendungsfelder.

Für die meisten PUIS wurden – basierend auf dem Kriteriensystem (siehe "Welche Anforderungen spielen eine Rolle?") – Eigenschaftsprofile erstellt, indem die Einschätzungen österreichischer BeraterInnen (siehe auch "BeraterInnen und Leistungsangebot") und/oder die Ergebnisse eines Experten-Assessments (Ref. 2) ausgewertet wurden (eine detaillierte Beschreibung findet sich im Forschungsbericht. Diese Eigenschaftsprofile werden als Spinnendiagramme (in einer Skala von 0 - 4) dargestellt – ein Vergleich mit den Anforderungsprofilen von umweltbezogenen Entscheidungen ermöglicht die Identifizierung von geeigneten PUIS (siehe "Welche Anforderungen spielen eine Rolle?" und "Umweltbezogene Entscheidungen in Unternehmen und geeignete PUIS").

Eine Analyse der Kommunikationseigenschaften geht darauf ein, ob das PUIS für interne oder auch externe Informationserfordernisse geeignet ist. Eine Auswahl an spezifischer Literatur und Links schließt die Beschreibung der einzelnen PUIS ab.

4.1 Umweltbezogene Entscheidungs- und Informationsinstrumente

Mit dem Sammelbegriff "Umweltbezogene Entscheidungs- und Informationsinstrumente" werden Methoden bezeichnet, welche für umweltbezogene Bestandsaufnahmen in Verwendung sind und für produktbezogene Fragestellungen adaptiert werden können.

4.1.1 Umweltkennzahlen, Benchmarking

4.1.1.1 Kürzel, Synonyme

KZ

4.1.1.2 Beschreibung

Von einem Umweltkennzahlensystem spricht man, wenn Kennzahlen so zusammengestellt sind, dass sie eine sachlich sinnvolle Beziehung zueinander aufweisen, sich gegenseitig ergänzen oder erklären und als Gesamtheit auf das betriebliche Umweltschutzziel ausgerichtet sind. Das Umweltkennzahlensystem unterstützt im Sinne der Selbststeuerung Unternehmen dabei, relevante Umweltinformationen in betrieblichen Entscheidungssituationen auf allen Hierarchieebenen praxisgerecht einzubeziehen.

Umweltkennzahlen sind absolute oder relative Zahlen, die über einen umweltbezogenen Sach-verhalt informieren. Die Kennzahlen beschreiben entweder einen Teilaspekt des Systems oder sind repräsentativ für den Gesamtzustand. Für Systemvergleiche (Benchmarking) sind relative Zahlen mit geeigneten Bezugsgrößen notwendig.

Umweltkennzahlen lassen sich in folgende Kategorien einteilen:

  • Kennzahlen der Umweltpolitik und des Umweltmanagements, die das umweltrelevante Verhalten und die umweltrelevanten Strukturen der verschiedenen Akteure beschreiben.
  • Umweltbelastungskennzahlen oder Umweltleistungskennzahlen, welche die Umweltbelastungen, die von den Akteuren ausgehen, darstellen.
  • Umweltqualitätskennzahlen oder Umweltzustandskennzahlen, oft auch als Umweltindikatoren bezeichnet, welche die Belastungssituation oder den Zustand der natürlichen Umwelt beschreiben.

Letztere entsprechen auch den nationalen Umweltindikatoren.

4.1.1.3 Wertgrundlage und Basisdimension

Bei der Entwicklung zielorientierter Umweltkennzahlensysteme, stehen die Umweltbelastungskennzahlen im Vordergrund, was darauf zurückzuführen ist, dass diese Kennzahlen die im Interesse des Umweltschutzes zu steuernden Stoff- und Energieströme beschreiben.

Betriebliche Umweltbelastungskennzahlen sind in Unternehmen die am meisten gebräuchlichen Umweltkennzahlen. Inzwischen wird in Anlehnung an die englische Bezeichnung "environmental performance indicator", die in dem Normenentwurf ISO 14031 verwendet wird, für Umweltbelastungskennzahlen immer häufiger der Begriff Umweltleistungskennzahlen verwendet.

4.1.1.4 Anwendungsbereiche und Eignung

Umweltbelastungskennzahlen lassen sich hinsichtlich der Umweltschutzbereiche, auf die sie angewendet werden, den Betrachtungsgegenständen und den Abbildungsebenen differenzieren. Im betrieblichen Umweltmanagement werden die Bereiche

  • Energiewirtschaft
  • Verkehr
  • Luftreinhaltung
  • Lagerhaltung
  • Wasserwirtschaft
  • Abfallwirtschaft
  • Verpackung
  • Produktionswirtschaft
  • vor- und nachgelagerte Stufen

betrachtet. Beim zwischenbetrieblichen Vergleich wird das eigene Unternehmen idR mit dem Branchenführenden verglichen, wobei die Gegenüberstellung von Kennzahlen mit dem Begriff Benchmarking bezeichnet wird. Voraussetzung für die Gegenüberstellung ist, dass die Datenerhebung in den zu vergleichenden Unternehmen auf gleiche Weise durchgeführt wird (dh, dass die Systemgrenzen bei beiden Betrachtungen gleich oder auf gleiche Weise definiert sind). Dieser wichtige Grundsatz wird aber in den meisten Fällen nicht eingehalten, da die Art der Datenerhebung der Konkurrenz nicht bekannt ist.

Die Vorstellung von einem branchenübergreifenden Umweltkennzahlensystem ist mit der Forderung nach Relevanz für die Entscheidungsprozesse im Unternehmen nicht vereinbar. Selbst bei Unternehmen innerhalb einer Branche können je nach verwendeten Verfahren und eingesetzten Stoffen Umweltkennzahlensysteme unterschiedlich ausfallen. Daher können die inzwischen in verschiedenen Arbeiten vorgeschlagenen Umweltkennzahlen und Umweltkennzahlensysteme nur als Anregung bzw als Gliederungsvorschläge verwendet werden. Ausschlaggebend für eine erfolgreiche Verbreitung des Instruments der Umweltkennzahlen ist daher das Wissen, wie betriebsindividuelle Umweltkennzahlensysteme gerade auch von klein- und mittelständigen Unternehmen effizient erstellt und in das laufende Management integriert werden können.

Abbildung 2: Umweltkennzahlen - Eigenschaftsprofil

4.1.1.5 Kommunikationseigenschaften

Umweltkennzahlen können für die interne Überwachung, die Kommunikation nach außen sowie für Vergleiche verwendet werden. Meist werden technisch sinnvolle oder anschauliche Kennzahlen verwendet. Wegen oft interner Verwendung kann im Laufe der Zeit die Dimension und die Bezugsgröße und die Abgrenzung aus dem Bewusstsein verschwinden, was für die Interpretation problematisch sein kann.

4.1.1.6 Literatur, Links

Umweltmanagementkennzahlen wurden u.a. vom EUROPEAN GREEN TABLE (1993, 1997) entwickelt und werden auch in den Entwürfen für die ISO Norm 14031 "Environmental Performance Evaluation" (zuletzt in ISO/DIS 14031 (1998)) vorgeschlagen.

4.1.2 Checklisten

4.1.2.1 Kürzel, Synonyme

-

4.1.2.2 Beschreibung

Es handelt sich dabei um Kataloge von Kriterien, Fragen etc., anhand derer Umweltbelastungen von Produkten und Prozessen ermittelt und bewertet werden können. Sie stellen einen Ansatz für Standardisierung und Objektivierung von Erhebungen und deren Ergebnisse dar. Häufig erfolgt eine Visualisierung der Ergebnisse zB durch Spinnendiagramme (strategic wheel).

4.1.2.3 Wertgrundlage und Basisdimension

Es wird keine Bewertung vorgenommen (wäre aber mit ABC-Methode leicht möglich), daher ist es auch nicht möglich, eine Basisdimension anzugeben.

4.1.2.4 Anwendungsbereiche und Eignung

Es existieren vielfältigste Anwendungsmöglichkeiten in allen Bereichen. Spezifische Listen werden im Internet für die unterschiedlichsten Fälle angeboten. Checklisten werden in den verschiedensten Anwendungen erfolgreich eingesetzt, wenn keine Quantifizierung von Aussagen notwendig ist. Während zB Umweltkennzahlen oder Ökobilanzen neues Wissen als Basis für ökologische Entscheidungen erzeugen, sind Checklisten Handlungsempfehlungen und ?anweisungen, die einen bestimmten Wissensstand wiedergeben. Ihre Anwendung lässt sich relativ einfach in Entwicklungs- oder Beschaffungsprozesse integrieren.

Abbildung 3: Checklisten - Eigenschaftsprofil

4.1.2.5 Kommunikationseigenschaften

Checklisten sind bei vielfältigen Anwendungen sehr hilfreich. Mit ihrer Hilfe können die offensichtlichsten Belastungen schnell und einfach vermieden oder reduziert werden. Sie schaffen damit Richtungssicherheit, auf deren Grundlage weiter gehende Strategien ansetzen können.

4.1.2.6 Literatur, Links

Spezifische Listen werden (ua auch im Internet) für die unterschiedlichsten Fälle angeboten. Als Beispiel seien die Eco-Design-Checklisten von econcept genannt, die Stärke-Schwächen-Analysen von bestehenden Produkten erlauben und bei der Produktentwicklung eingesetzt werden können.

  • Tischner, U., E. Schmincke, F. Rubik, M. Prösler (unter Mitarbeit von B. Dietz, S. Maßelter, B. Hirschl) (2000): Was ist EcoDesign? Ein Handbuch für öko-logische und ökonomische Gestaltung. Verlag form GmbH, Frankfurt am Main.

4.1.3 Stoffausschlusslisten

4.1.3.1 Kürzel, Synonyme

Negativlisten

4.1.3.2 Beschreibung

Stoffausschlusslisten sind eine spezielle Form von Checklisten. Sie lassen sich in 2 Kategorien unterteilen:

  • Katalog von gesetzlich verbotenen oder in ihrer Anwendung beschränkten Stoffen
  • Aufstellungen von Kunden-Anforderungen, Branchenübereinkünften oder unternehmensintern verbotenen bzw zu vermeidenden Stoffen.

4.1.3.3 Wertgrundlage und Basisdimension

Stoffausschlusslisten werden verwendet, um Stoffe mit ökologischen und/oder gesundheitlichen Risiken auszuschießen. Verzeichnisse von Stoffen und Verbindungen, welche in der Beschaffung ausgeschlossen bzw bei Produktdesign und Produktion nicht verwendet werden sollen. dienen der Sicherstellung, dass gesetzliche stoffbezogene Vorgaben erfüllt werden ("compliance"). Darüber hinaus können sie Begleitmaßnahmen von freiwilligen unternehmens- bzw branchenspezifischen Verzichts- und Vermeidungsstrategien darstellen.

4.1.3.4 Anwendungsbereiche und Eignung

Stoffausschlusslisten finden Anwendung im Produktentwicklungsprozess. Dabei wird in den verschiedenen Phasen des Design-Prozesses in Zusammenarbeit mit der Umweltabteilung eine Überprüfung auf Substanzen durchgeführt, welche auf der Liste der verbotenen oder zu vermeidenden Stoffe steht. Aber auch die betriebliche Beschaffung spielt bei dem Ausschluss unerwünschter Produkt-Inhaltsstoffe eine wichtige Rolle, da sie gewährleisten soll, dass diese Stoffe nicht in den von Lieferanten zugekauften Materialien und Teilen enthalten sind. Umweltzeichen-Richtlinien enthalten oft Stoffausschlusslisten. Stoffausschlusslisten sind überdies Schnittstellen zu Arbeitsschutz, Ersatzstoffprüfung und TRGS 900.

4.1.3.5 Kommunikationseigenschaften

Mit Hilfe von Stoffausschlusslisten können umwelt- und gesundheitsgefährdende Stoffe schnell und einfach vermieden werden.

4.1.3.6 Literatur, Links

-

4.1.4 Input-Output-Analyse

4.1.4.1 Kürzel, Synonyme

I/O-Analyse

4.1.4.2 Beschreibung

Die Input-Output-Analyse ist die Grundlage aller Sachbilanzen und betrachtet die über die definierten Systemgrenzen gehenden Flüsse. Diese können Stoff- und Energieflüsse, physische oder monetäre Flüsse sein. Sie wird zur Analyse von Zuständen und deren Veränderung in Produktionssystemen verwendet.

Sachbilanzen helfen, die Input- und Outputströme eines Betriebes übersichtlich darzustellen. Meist beschränken sich die Angaben auf die über die Bilanzgrenze gehenden Flüsse ohne Information über interne Strukturen. Sie können aber auch für Einzelprozesse innerhalb eines Betriebes durchgeführt und dann zu Gesamtbilanzen verknüpft werden, was zu größerer Transparenz in Bezug auf die internen Vorgänge führt.

4.1.4.3 Wertgrundlage und Basisdimension

Güter- und Stoffbilanzen stellen den Einsatz an Materialien und den Ausstoß an Produkten und Emissionen innerhalb eines gewählten Bilanz- und Zeitraumes (üblicherweise ein Jahr) dar. Der betrachtete Bilanzraum oder das System mit seinen Systemgrenzen kann dabei in Abhängigkeit der jeweiligen Fragestellung variiert werden.

Vergleichbar mit einer finanziellen betrieblichen Bilanz werden Input und Output gegenübergestellt. Die Bilanzierung beruht dabei auf dem Prinzip der Massenerhaltung (dies ist grundsätzlich auch bei Energie gültig, wenn die Sekundärseite aber kein geschlossener Bilanzraum ist, wie zB beim Wärmeverlust von Gebäuden an die Umgebung, aber schwierig anzuwenden). Das heißt:

MasseInput = MasseOutput + Lagerung im Betrieb

Lücken in der Massenbilanz weisen auf Informationsdefizite oder systematische Fehler bei der Bilanzierung hin.

Die alleinige Bilanzierung von Massen und Energien liefert jedoch noch keine Ergebnisse, die eine Bewertung der betrieblichen Situation erlauben. Es werden daher aufbauend auf diesem ersten Schritt der Bilanzierungen die einzelnen Massen- bzw Energieflüsse im Betrieb verfolgt, dies wird als Güter-, Stoff- bzw Energieflussanalyse bezeichnet. Erst diese Analysen erlauben es, Schwachstellen zu identifizieren und Einsparungspotenziale aufzuzeigen.

4.1.4.4 Anwendungsbereiche und Eignung

Input-Output-Analysen weisen eine breite Anwendung auf, sie werden für Umweltmanagementsysteme, für Ökocontrolling und für die Erstellung von Abfallkonzepten benötigt, sie sind gleichzeitig aber auch die Grundlage für die meisten anderen Bewertungsverfahren.

Abbildung 4: Input/Output-Analyse - Eigenschaftsprofil

4.1.4.5 Kommunikationseigenschaften

Sehr wesentliche grundlegende Methode mit hohem Informationsgehalt für Verbesserungen. Dient mehr zur internen Information als zur Kommunikation nach außen.

4.1.4.6 Literatur, Links

  • Fleissner, P., W, Böhme, H. Brautzsch, J. Höhne, J. Siassi, K. Stark (1993): Input-Output-Analyse. Eine Einführung in Theorie und Anwendungen. Springers Kurzlehrbücher der Wirtschaftswissenschaften, Springer Verlag Wien.
  • Leontief, W (1987): Input-Output-Economics. 2. Aufl., Oxford.
  • Stahmer, C., M. Kuhn, N. Braun (1997): Physische Input-Output-Tabellen 1990. Band 1 der Schriftenreihe "Beiträge zu den Umweltökonomischen Gesamtrechnungen". Metzler Poeschel, Stuttgart.
  • "Prepare"-Lösungen

4.1.5 Materialflussanalyse, Stoffflussanalyse

4.1.5.1 Kürzel, Synonyme

MFA, SFA

4.1.5.2 Beschreibung

Die SFA ist ein klassisches Bilanzierungs-Werkzeug, das I/O-Analysen von verschiedenen Aktivitäten innerhalb eines definierten Bilanzraumes miteinander verknüpft. Die Bilanzierungsrichtlinien werden dabei nicht nur auf ein einzelnes Werk oder eine Fabrik angewendet, sondern auf einen Produktlebenszyklus oder alle einen Stoff betreffenden Prozesse einer Region, bei MFAs werden meist sektorale oder nationale Grenzen verwendet.

Das Ziel der Analyse ist es, Größenordnungen und Relevanzen von Stoffströmen zu bestimmen und daraus Schlüsse auf wesentliche Verursacher bestimmter "hot spots" zu ziehen. Die SFA ist damit keine eigentliche Bewertungsmethode, sondern ein analytisches Werkzeug. Verknüpft man das Werkzeug mit bestimmten Zielen (zB Verringerung des Stickstoffeintrages ins Wasser um 50%), so kann mittels SFA der notwendige Handlungsrahmen simuliert werden.

4.1.5.3 Wertgrundlage und Basisdimension

Es erfolgt keine Bewertung; meistens werden bei SFAs Masseneinheiten pro Jahr verwendet.

4.1.5.4 Anwendungsbereiche und Eignung

SFAs oder MFAs werden für Regionen, für Sektoren und auf nationaler Ebene verwendet, vor allem zum Erkennen der Ursachen von Belastungen oder für Szenarien von zukünftigen Veränderungen. Der Erhebungsaufwand ist dabei sehr hoch, deshalb erhöht sich die Zahl der Fallbeispiele nur langsam. Alle bekannten Beispiele haben ihren Zweck aber meist sehr gut erfüllt. In Beziehung mit anderen (outputorientierten) Indikatoren könnte eine interessante Bewertungsform geschaffen werden.

Abbildung 5: Stoffflussanalyse (SFA) - Eigenschaftsprofil

4.1.5.5 Kommunikationseigenschaften

KonsumentInnen und Regionen können aus der Zuordnung von Stoffflüssen zu Verursachern wertvolle Schlüsse ziehen. Eine material- oder stoffbezogene Sicht der Region steht einer sektoralen Sichtweise meist diametral gegenüber.

4.1.5.6 Literatur, Links

  • Ö WAV (2003): "Die Anwendung der Stoffflussanalyse in der Abfallwirtschaft". ÖWAV Regelblatt 514.
  • Brunner, P.H. (2002a): Materials Flow Analysis: Vision and Reality. Journal of Industrial Ecology, Vol. 5, Nr. 2, S. 3-5.
  • Brunner, P.H. (2002b): From Waste Incineration to Materials Management – Material Flow Analysis shows the Way. Abstract in: Ecology and Eco-Technologies, Polish Academy of Sciences, Scientific Centre Vienna.
  • Skutan, S., O. Cencic, P.H. Brunner (2001): "Stoffflussanalyse von mechanisch-biologischen Verfahren". TU Bergakademie Freiberg, IEC Institut für Energieverfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen, S. 301-317.
  • Lampert, C.; P.H. Brunner (2000): Materials accounting as a policy tool for nutrient manage-ment in the Danube Basin. Water Science and Technology, Vol. 40, No. 10, S. 43-49.
  • Siehe auch: Publikationen des Instituts für Wassergüte und Abfallwirtschaft - Abteilung Abfallwirtschaft und Stoffhaushalt

4.1.6 Umwelt-Risiko-Analyse

4.1.6.1 Kürzel, Synonyme

Ökologische Risikoanalyse, URA, Environmental Risk Assessment, ERA

4.1.6.2 Beschreibung

Die Ökologische Risikoanalyse wurde als Methode zur Betrachtung natürlicher Ressourcen in einem größeren Planungsraum im Rahmen eines Gutachtens im Großraum Nürnberg-Fürth-Erlangen-Schwabach entwickelt. In der Folgezeit wurde sie im Hinblick auf die Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen weiterentwickelt. Inzwischen gehört die Methode in den verschiedensten Abwandlungen zum Standardrepertoire der Umweltplanung. Die letzten wesentlichen Entwicklungen gingen von der Planungsgruppe Ökologie (Hoppenstedt u. Riedl 1992) und Umwelt sowie der Anpassung an neue rechtliche Grundlagen aus.

4.1.6.3 Wertgrundlage und Basisdimension

Ziel der Ökologischen Risikoanalyse ist die Beurteilung der ökologischen Nutzungsverträglichkeit bei unvollständiger Information. Sie versteht sich als "Versuch einer planerischen Operationalisierung des Zusammenhangs zwischen Verursacher und Betroffenen", dh als eine Form der Wirkungsanalyse im "Mensch-Umwelt-System" (Bachfischer 1978, S. 72).

Die Beurteilung erfolgt formal durch die Bildung der drei Aggregatgrößen:

  • Intensität potenzieller Beeinträchtigung (kurz Beeinträchtigungsintensität)
  • Empfindlichkeit gegenüber Beeinträchtigungen (Beeinträchtigungsempfindlichkeit)
  • Risiko der Beeinträchtigung.

Dabei werden unter Beeinträchtigungen natürlicher Ressourcen Änderungen von Quantitäten oder Qualitäten natürlicher Ressourcen verstanden, die nach Art und Ausmaß die Befriedigung der Ansprüche an natürliche Ressourcen erheblich erschweren oder unmöglich machen. Um den Zusammenhang zwischen Verursachern und Betroffenen zu untersuchen, teilt sich das Verfahren in die Untersuchung der Betroffenen (natürliche Faktoren) und der Verursacher (Nutzungsansprüche).

Das Risiko der Beeinträchtigung ergibt sich dann aus der Verknüpfung der beiden mit Hilfe der Bewertungsbäume ermittelten Größen in einer "Risikomatrix" (oder Präferenzmatrix) und soll das Ausmaß der Beeinträchtigung natürlicher Ressourcen messbar machen. Die Präferenzmatrix stellt die Intensitäts- und Empfindlichkeitsstufen gegenüber. Hohe Beeinträchtigungsintensität und -empfindlichkeit ergeben demnach hohes Risiko, geringe Beeinträchtigungsintensität und -empfindlichkeit geringes Risiko.

Die Arbeitsschritte bestehen aus:

  • naturwissenschaftlich-empirische Wirkungsanalyse (Wie funktioniert der Naturhaushalt? Wie wirken Belastungen? Wie reagieren die Schutzgüter?)
  • normative Aussage (Einschätzung, Beurteilung, Bewertung) aus fachlicher Sicht (Wie gut funktioniert der Naturhaushalt? Führen die Belastungen zu Beeinträchtigungen? Verlieren die Schutzgüter ihre Funktionen? Besteht eine Schutzwürdigkeit?)

4.1.6.4 Anwendungsbereiche und Eignung

Eine halbwegs einheitliche Methodik ist trotz steigender Bedeutung der Ökologischen Risikoanalyse nicht zu erkennen. Vielmehr folgen die GutachterInnen verschiedenen Schulen oder haben im Laufe der Zeit eigene Methodiken entwickelt. Dies schließt die Indikatorenauswahl, die Klassenbildung und die Verknüpfungsvorschriften ein. In der Regel wird bis auf Schutzgutebene aggregiert; dann werden die Schutzgüter tabellarisch oder argumentativ gegenübergestellt.

Scholles (1997) hat die Methodik für die Anwendung im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung weiterentwickelt, um mit ihrer Hilfe Umweltauswirkungen abschätzen, einschätzen und bewerten zu können.

Abbildung 6: Materialflussanalyse (MFA) - Eigenschaftsprofil

4.1.6.5 Kommunikationseigenschaften

Einfache Sachverhalte sind gut kommunizierbar. Komplexe Analysen sind schwerer zu veranschaulichen, zumal auch noch Uneinigkeiten unter den ExpertInnen dazu kommen können.

4.1.6.6 Literatur, Links

  • Bachfischer, R. (1978): Die ökologische Risikoanalyse. Dissertation an der TU München.
  • Hoppenstedt, A., U. Riedl (1992): "Grundwasserentnahmen". In: Storm, P.C.; Bunge, T. (Hg.): Handbuch der Umweltverträglichkeitsprüfung. Berlin.
  • Scholles, F. (1997): Abschätzen, Einschätzen und Bewerten in der UVP. Weiterentwicklung der Ökologischen Risikoanalyse vor dem Hintergrund der neueren Rechtslage und des Einsatzes rechnergestützter Werkzeuge. UVP-Spezial 13, Dortmund.
  • Universität von Hannover: Gesellschaftswissenschaftliche Grundlagen

4.1.7 Risiko-Analyse

4.1.7.1 Kürzel, Synonyme

Risk Assessment, RA

4.1.7.2 Beschreibung

Ansätze der Risikoforschung kommen aus der Ökonomie, um abzuschätzen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit eines Gewinnes oder Verlustes ist. Dies spielte vor allem in der Seefahrt eine Rolle. Heute wird Forschung mit der Formel "Risiko ist gleich Eintrittswahrscheinlichkeit mal Schadensausmaß" meist mit Bezug zur menschlichen Gesundheit und zur Umwelt betrieben. Dabei werden Substanzen, Aktivitäten, Lebensstile aber auch natürliche Phänomene auf ihre risikobehafteten Nebeneffekte überprüft. Ein klassisches Beispiel dafür ist die Abschätzung der Unfallwahrscheinlichkeit in Atomkraftwerken.

Der probabilistische Ansatz wurde in jüngerer Zeit um den Aspekt des wahrgenommenen Risikos erweitert, da für Entscheidungsträger nicht nur die strikte Wahrscheinlichkeitsrechnung von Bedeutung ist. Vielmehr werden auch die Einschätzungen von potenziell Betroffenen und die individuellen Steuerungsmöglichkeiten des Risikos mit berücksichtigt.

Risk Assessment ist nicht vergleichbar mit der Umwelt-Risiko-Analyse, sondern stellt eine quantitative Abschätzung der naturwissenschaftlich-technischen Unsicherheiten von ExpertInnen-Prognosen zur Vorbereitung von Entscheidungen dar.

4.1.7.3 Wertgrundlage und Basisdimension

Die Wertgrundlage kann unterschiedlich sein. Einerseits können historische Daten verwendet werden, um Prognosen für die Zukunft zu erstellen. Andererseits wird aber auch versucht, Daten aus Laborexperimenten einzusetzen, speziell wenn keine Erfahrungswerte vorhanden sind oder deren Bereitstellung problematisch ist (zB bei mutagenen Substanzen).

Die Basisdimensionen ergeben sich aus der Eintrittswahrscheinlichkeit (1/a) und dem Schadensausmaß (meist monetär). Im darauffolgenden Entscheidungsprozess können das Vorsorge- und das Vorsichtsprinzip mit berücksichtigt werden.

4.1.7.4 Anwendungsbereiche und Eignung

Angewandt wird das Konzept in der Ökonomie, bei Versicherungen und als Entscheidungsgrundlage im politischen Bereich. Das Probabilistic Safety Assessment in dem die Zuverlässigkeit von einzelnen technischen Bauteilen und Systemen analysiert wird, kommt vor allem bei technischen Einrichtungen und Technologien zum Einsatz.

Abbildung 7: Risiko-Analyse (RA) - Eigenschaftsprofil

4.1.7.5 Kommunikationseigenschaften

Einfache Sachverhalte sind gut kommunizierbar, aber manchmal sehr abstrakt im Verständnis, wie zB der Vergleich des Risikos, von einem Meteoriten getroffen zu werden, mit dem Risiko, von einem Auto überfahren zu werden. Die Ergebnisse finden daher nicht immer die verdiente Akzeptanz. Komplexe Analysen, die möglicherweise auf wenig gesicherten Daten basieren, sind schwerer zu veranschaulichen, zumal auch noch Uneinigkeiten unter den ExpertInnen dazu kommen können.

4.1.7.6 Literatur, Links

  • Wilson, R., A. Crouch (1987): Risk Assessment and Comparisons: An Introduction. Science, Vol. 236, S. 267-270.
  • Slovic, P. (1987): Perception of Risk. Science, Vol. 236, S. 280-285.
  • Stern, P., H. Fineberg (1996): Understanding Risk – Informing Decisions in a Democratic Society. National Academy Press, Washington, D.C.
  • Dake, K. (1992): Myths of Nature: Culture and the Social Construction of Risk. Journal of Social Issues, Vol. 48, No. 4, S. 21-37.
  • Institute of Risk Research, Academic Senate of the University of Vienna
  • The International Institute for Applied Systems Analysis
  • Institute of Technology Assessment, Austrian Academy of Sciences