6.1-2 Erfahrungen in österreichischen Unternehmen: Schriftliche Unternehmensbefragung & Interviews

Schriftliche Unternehmensbefragung und Interviews in österreichischen Unternehmen boten Einblick in die Erfahrungen von österreichischen Unternehmen mit PUIS.

Hauptziel der schriftlichen Unternehmensbefragung war es, einen Überblick über die Verbreitung von PUIS in österreichischen Unternehmen zu erhalten, um Strategieempfehlungen an Unternehmen, BeraterInnen, Methoden-EntwicklerInnen und politische EntscheidungsträgerInnen darauf abzustimmen (siehe Forschungsbericht).

Ziele dieser persönlichen Interviews waren u.a.:

  • Die Ergebnisse der Fragebogenerhebung durch Fallbeispiele zu ergänzen
  • Die Hintergründe und Rahmenbedingungen für die Einführung von PUIS näher zu betrachten
  • Anforderungen an PUIS zu identifizieren, welche für Unternehmen wichtig sind
  • Mögliche branchenspezifische Unterschiede zu erkennen.

Bei einem Workshop, der am 13.02.03 im BMVIT, Wien stattfand und an dem einschlägig tätige WissenschaftlerInnen und BeraterInnen teilnahmen, wurden die Projektergebnisse des FABRIKderZukunft-Projektes "PUIS in österreichischen Unternehmen" und des Projektes "Eignung und Anwendbarkeit von Bewertungsmethoden für nachhaltiges Wirtschaften (Ref. 2) gemeinsam vorgestellt und diskutiert. Zwei Unternehmen berichteten dabei über ihre Erfahrungen mit PUIS – diese werden als Betriebliche Erfolgsstory vorgestellt.

Die im Folgenden dargestellten Ergebnisse bilden eine Zusammenfassung der Unternehmensbefragung; weitere Details können dem Forschungsbericht entnommen werden.

Die in österreichischen Unternehmen durchgeführte Fragebogen-Erhebung und 13 Interviews bieten einen Einblick in Details der PUIS-Anwendung (Verbreitungsgrad, Verwendungszweck, Motivation), Anforderungen von Unternehmen an PUIS sowie ihre Empfehlungen an andere Unternehmen, Wissenschaft und Politik. Vergleiche mit internationalen Studien zeigen überwiegend Gemeinsamkeiten, in Teilbereichen aber auch österreichische Besonderheiten auf.

Die Fragebogenerhebung in 127 österreichischen Unternehmen hat einen sehr hohen Anwendungs- und Bekanntheitsgrad von PUIS ergeben, der allerdings nach den verschiedenen Kategorien von PUIS differiert. So werden die umweltbezogenen Entscheidungs- und Informationsinstrumente wie Umweltkennzahlen, Checklisten, Stoffausschlusslisten,Input/Output-Analyse etc. am häufigsten angegeben, Methoden der ökologischen Produktbewertung ("originäre PUIS") wie Kumulierter Energieaufwand oder Materialinput pro Serviceeinheit bereits wesentlich seltener.

Umweltaktivitäten, die sich an der Etablierung von Umweltmanagementsystemen oder an der Einrichtung spezieller für den Umweltschutz zuständiger Abteilungen oder Personen erkennen lassen, sind in den Unternehmen sehr häufig und bieten eine gute Grundlage für die Einführung und Anwendung von PUIS.

Als wichtigste Gründe für die Einführung von PUIS werden das Aufspüren von Schwachstellen im Ressourcen- und Energieeinsatz und Kosteneinsparungen genannt. Wichtigste interne Promotoren für die Einführung von PUIS waren Umweltabteilungen bzw Umweltbeauftragte, wichtigste externe AkteurInnen Beratungs- und Consultingeinrichtungen bzw der Mutterkonzern vieler Unternehmen.

6.1 Schriftliche Unternehmensbefragung

Die Praxisanwendung von PUIS in österreichischen Unternehmen wurde in Form eines Fragebogens erhoben und computerunterstützt (SPSS) ausgewertet.

Folgende Zielgruppen wurden mit dem 12seitigen Fragebogen erreicht:

  • Unternehmen, die über UMS verfügen (ISO 14001 oder EMAS-Zertifizierungen)
  • Betriebe mit Umweltzeichen
  • Ökoprofit-Betriebe
  • Betriebe des Steirischen Autoclusters (AC-Styria)
  • Im Baubereich tätige Unternehmen
  • Chemische Industrie
  • Elektro- und Elektronikindustrie
  • Metall- und metallverarbeitende Industrie

Der daraus resultierende und für die Fragebogenaussendung verwendete Verteiler umfasste 970 Adressen.

Die 20 verschiedenen Instrumente, ihre Synonyma und Abkürzungen wurden mit Kurzbeschreibungen versehen und in einer zweiseitigen Definitionenliste zusammengefasst.

Es waren besonders folgende Themenbereiche von Interesse:

  • Allgemeine Angaben zum Unternehmen
  • Umweltbezogene und F&E-Aktivitäten im Unternehmen
  • Informationen über Umweltauswirkungen durch die Produktion sowie die im Unternehmen hergestellten Produkte
  • Produktbezogene Umweltinformationssysteme (PUIS) im Unternehmen
  • Beteiligte AkteurInnen (intern und extern) beim Einsatz von PUIS
  • Auswirkungen/Ergebnisse der Anwendung von PUIS.

Es konnte eine Rücklaufquote von 127 Fragebögen erreicht werden, dies entspricht 13,3% (127 von 956 Unternehmen). Dabei war die Rücklaufquote bei den sog. umweltengagierten Unternehmen, ds Unternehmen die bereits über ein UMS verfügen, an Ökoprofit teilnehmen oder Umweltzeichen-Produkte herstellen, ca doppelt so hoch wie bei den anderen Unternehmen.

6.1.1 Beschreibung der befragten Unternehmen

Ca. ein Sechstel der antwortenden Unternehmen gehört der chemischen Industrie an, ca. ein Zehntel der eisen- und metallverarbeitenden Industrie, acht Unternehmen der Elektro- und Elektronikindustrie. Je sechs Unternehmen verteilen sich auf die Bauindustrie, die Papier- und Zellstoffindustrie und das Schlosser- und Metallgewerbe, fünf gehören der Nahrungs- und Genussmittelindustrie und vier der Textilindustrie an. Zwei große Gruppen, nämlich die chemische Industrie und die eisen- und metallverarbeitende Industrie, sind sowohl im für die Umfrage verwendeten Adressverteiler als auch im Antwort-Sample gut vertreten. Die zweitgrößte Branche des für die Erhebung verwendeten Adressverteilers, die Bauindustrie, ist dagegen eindeutig unterrepräsentiert.

40 dieser Unternehmen stellen Dienstleistungen für gewerbliche KundInnen zur Verfügung, 33 Unternehmen erzeugen Konsumgüter, 30 Unternehmen stellen Zwischenprodukte her, 24 Unternehmen bieten Dienstleistungen für private KundInnen an. Investitionsgüter erzeugen 18, Grundstoffe 14 Unternehmen. Hilfs- und Zusatzstoffe bzw Betriebsmittel werden nur von wenigen Unternehmen der im Antwortsample vertretenen Unternehmen hergestellt (Abbildung 31).

Abbildung 31: Erzeugnisse/Dienstleistungen der Unternehmen (Mehrfachnennungen möglich)

Das Vorliegen eines UMS ist (laut den Ergebnissen ähnlicher Studien) eine notwendige, wenngleich nicht hinreichende Voraussetzung für die Implementierung von PUIS.

53 (41,7%) der antwortenden Unternehmen sind ISO 14001-zertifiziert, ein EMAS-Zertifikat besitzen 61 (48%) Unternehmen. 35 Unternehmen nehmen sowohl an der ISO-14001 als auch an der EMAS-Zertifizierung teil. Insgesamt besitzen 79 (62,2%) Unternehmen zumindest ein Umweltmanagement-Zertifikat.

In 76 Unternehmen übernimmt die Umweltschutzagenden der/die Sicherheitsbeauftragte, in 66 bzw 65 Unternehmen ein Abfall- bzw Umweltbeauftragter. 37 Unternehmen haben einen Umwelt- und Abfallbeauftragten in Personalunion, eine eigene Umweltschutzabteilung besitzen 23 Unternehmen. Die Funktion des Umweltschutzbeauftragten wird oft neben anderen Verpflichtungen (zB des Abfall- oder Sicherheitsbeauftragten) ausgeführt. Nur in zwei Unternehmen gibt es überhaupt niemanden, der für diesen Bereich zuständig ist.

In einigen Unternehmen ist das Thema Umweltschutz auch explizit im Unternehmensleitbild verankert.

6.1.2 Material- und Entsorgungskosten

Material- und Personalkosten sind wichtige Kostenfaktoren im Unternehmen. Die Relevanz des Kostenfaktors "Material" wurde erhoben, um festzustellen, inwieweit in den jeweiligen Unternehmen Optimierungspotenziale vorhanden sind.

Von 11 angebotenen Maßnahmen, die zur Senkung der Material- und Entsorgungskosten beitragen können, sehen Unternehmen das größte Potenzial im Bereich der Preisverhandlungen mit LieferantInnen – es wird von 73 (75,5%) Unternehmen als sehr hoch oder hoch (im folgenden zu hoch zusammengefasst) eingeschätzt; an zweiter Stelle stehen innerbetriebliche Optimierungsprozesse - 62 Unternehmen sehen Möglichkeiten bei der Optimierung einzelner Fertigungsprozesse, 53 sehen ein großes Kosteneinsparungspotential bei Maßnahmen zur Verringerung der Retouren. Je 50 schätzen das Potenzial als hoch ein bei der Verbesserung des internen Materialflusses bzw bei den Preisverhandlungen mit Entsorgungsunternehmen (Tabelle 9).

Tabelle 9: Maßnahmen zur Senkung der Material- und Entsorgungskosten. Einschätzung des Optimierungspotenzials durch die an der Fragebogenerhebung teilnehmenden Unternehmen.

Mögliche MaßnahmenHohes/sehr hohes Potenzial
(Anzahl der Antworten)
Preisverhandlungen mit Lieferanten 73
Optimierung einzelner Fertigungsprozesse 63
Maßnahmen zur Verringerung der Retouren 53
Verbesserung des internen Materialflusses 50
Preisverhandlungen mit Entsorgungsunternehmen 50
Definition von Anforderungen an Lieferanten 45
Verringerung der Lagerbestände 40
Internes Recycling von Abfallprodukten 39
Abgabe von Abfällen an andere Unternehmen zum Recycling 39
Entwicklungsarbeit mit Lieferanten 30
Änderungen in der Produktgestaltung 18
Einsatz von Abfällen anderer Unternehmen 9

6.1.3 Produktbezogene Umweltinformationssysteme (PUIS)

Eine Vielfalt von Methoden und Informationssystemen steht zur Verfügung, um umfassende Informationen über die umweltbezogenen Eigenschaften von Produkten entlang ihres gesamten Lebensweges zu erhalten. Für die Befragung wurden 20 PUIS aufgelistet, deren genauere Charakterisierung dem Abschnitt "PUIS und ihre Eigenschaften" entnommen werden kann.

Insgesamt 112 Unternehmen (88,2%) geben in der Befragung an, mindestens eines dieser PUIS anzuwenden oder angewendet zu haben. Von diesen Unternehmen haben 17 Erfahrung nur mit einem einzigen PUIS und 38 Unternehmen (29,9%) haben mindestens ein PUIS angewendet, aber wieder eingestellt. Nur für 2 Unternehmen sind alle der in der Liste angeführten PUIS unbekannt. Für 103 Unternehmen (81,1%) sind zumindest ein oder mehrere PUIS unbekannt.

Es wurden laut Umfrage insgesamt 479 PUIS-Anwendungen in 112 Unternehmen durchgeführt, nur 15 Unternehmen geben an, überhaupt kein PUIS durchgeführt zu haben. Die häufigste Anwendung sind Umweltkennzahlen, diese werden von 77 Unternehmen (60,6%) genannt, die Input-/Outputanalyse von 74 (58,3%), bereits mit Abstand folgen die ABC-Analyse (53 bzw 41,7%) sowie Checklisten, Matrizen und Spinnendiagramme (52 bzw 40,9%). Stoffausschlusslisten folgen an der nächsten Stelle (genannt von 40 Unternehmen (31,5%), die Umwelt-Risikoanalyse verwenden 35 Unternehmen (27,6%), die Materialflussanalyse 32 (25,2%), die Umweltkostenrechnung 20 Unternehmen (15,7%). Kumulierter Energieaufwand wird von 19 Unternehmen angegeben, Materialinput pro Serviceeinheit von 15 Unternehmen. Alle anderen angewendeten PUIS werden weniger oft angegeben (Tabelle 10 bzw Abbildung 32).

Tabelle 10: PUIS in österreichischen Unternehmen 1

PUIS-ArtPUISAngewendet (Anzahl)%
Umweltbezogen Umweltkennzahlen 77 60,6
  Input/Output-Analyse 74 58,3
  Checklisten, Matrizen, Spinnendiagramme 52 40,9
  Stoffausschlusslisten 40 31,5
  Umwelt-Risiko-Analyse 35 27,6
  Materialflussanalyse 32 25,2
Allgemein ABC-Analyse 53 41,7
Betriebswirtschaftlich Umweltkostenrechnung 20 15,7
Originär Kumulierter Energieaufwand 19 15
  Materialinput pro Serviceeinheit 15 11,8

Betrachtet man die Überkategorien, so ist der Verbreitungsgrad der umweltbezogenen Entscheidungs- und Informationsinstrumente am höchsten. Genau umgekehrt verhält es sich mit den als "unbekannt" genannten PUIS: hier gibt es bei den "originären" PUIS insgesamt 556 Nennungen. Bei den allgemeinen Entscheidungsinstrumenten gab es insgesamt 65 Anwendungen in den Unternehmen, 59 Unternehmen sind PUIS dieser Art unbekannt.Betriebswirtschaftliche Methoden werden nur von 49 Unternehmen verwendet, ihr Bekanntheitsgrad ist aber gleich hoch wie der Bekanntheitsgrad der umweltbezogenen Instrumente (225 bzw 224 Nennungen) (Tabelle 11).

Tabelle 11: PUIS in österreichischen Unternehmen 2

PUIS-Artangewendeteingestelltbekanntunbekannt
Umweltbezogen 310 40 224 132
Allgemein 65 11 90 59
Betriebswirtschaftlich 49 16 225 165
Originär 55 18 297 556

Werden in einem Unternehmen umweltbezogene Instrumente angewendet, so ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass diese auch ökologische Produktbewertungsmethoden im eigentlichen Sinne anwenden: 32 von 102 Unternehmen, die umweltbezogene PUIS anwenden, wenden auch originären PUIS an, aber nur drei Unternehmen, welche keine umweltbezogenen PUIS anwenden, wenden originäre PUIS an.

Insgesamt 85mal wurde angegeben, dass ein PUIS angewendet, aber wieder eingestellt wurde. Die am häufigsten eingestellten PUIS sind die Input-/Outputanalyse (in 11 Fällen) und die Materialflussanalyse (10 Fälle). Checklisten und Umweltkostenrechnung wurden in jeweils 8 Unternehmen versucht und wieder eingestellt, die ABC-Analysein 6 Fällen, die Nutzwertanalyse und das Life Cycle Assessment in je 5 Fällen (Abbildung 32).

Unter den nichtangewendeten PUIS ist bei den Unternehmen die Umweltkostenrechung (62 bzw 48,8%) am bekanntesten, gefolgt von Life Cycle Assessment/Produktökobilanz bzw Materialflussanalyse/Stoffflussanalyse (je 59 bzw je 46,5%). Life Cycle Costing (58 bzw 45,7%) und Flusskostenrechung (56 bzw 44,1%) folgen auf den nächsten Plätzen (Abbildung 32).

Unter den als unbekannt angeführten PUIS finden sich am häufigsten Environmental Priority Strategies (90), Eco-Indicator 95/99 (89), Sustainable Process Index /Ökologischer Fußabdruck (86) und Kritische Volumina (83) sowie Umweltbelastungspunkte (57), Materialinput pro Serviceeinheit (53) und Kumulierter Energieaufwand (50) (Abbildung 32).

Abbildung 32: PUIS in österreichischen Unternehmen

6.1.3.1 Die häufigsten PUIS-Anwendungen

Die Unternehmen wurden gebeten, das am häufigsten angewendete PUIS zu nennen und zu diesem einige spezifische Fragen zu beantworten. Es haben allerdings nur 46 Unternehmen bei der Frage nach dem häufigsten verwendeten PUIS ein solches namentlich angeführt, 12 weitere Unternehmen haben zwar diesen Frageblock beantwortet, aber den Namen des PUIS, auf das sich ihre Antworten beziehen, nicht angegeben.

Bei den Nennungen der häufigsten angewendeten PUIS dominieren die umweltbezogenen Entscheidungs- und Informationsinstrumente: Am häufigsten ist die Input/Output-Analyse mit 18 Nennungen, gefolgt von Umweltkennzahlen bzw Benchmarking mit je 15 Nennungen.

6.1.3.2 Gründe für die Einführung von PUIS

Als wichtigster Grund, warum dieses PUIS im Unternehmen eingeführt wurde, wird das Auffinden von Schwachstellen im Ressourcen- und Energieeinsatz genannt. An nächster Stelle stehen Kosteneinsparungen, die Überprüfung der Einhaltung von Umweltgesetzen, gefolgt von Imagegründen, Information von VerbraucherInnen und Öffentlichkeit, laufender MitarbeiterInnen-Information und Verringerung produktbezogener ökologischer Auswirkungen.

Als Motive, um PUIS einzuführen, wurden genannt (In Klammer Anzahl der Nennungen):

  • Auffinden von Schwachstellen Im Ressourcen- und Energieeinsatzbereich (45)
  • Kosteneinsparungen (41)
  • Überprüfung der Einhaltung von Umweltgesetzen (27)
  • Image der Firma (25)
  • Information der VerbraucherInnen/der Öffentlichkeit (24)
  • Verringerung produktbezogener ökologischer Auswirkungen (22)
  • Laufende Information der MitabreiterInnen (22)
  • Überprüfung der Kostenstrukturen (15)
  • Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit (13)
  • Verbesserung bestehender Produkte (11)
  • Sonstige Gründe (10)
  • Umsatzsteigerung durch ökologische Verbesserung (7)
  • Verbesserung der Dienstleistung (6)
  • Anforderung durch KundInnen/AbnehmerInnen (6)
  • Grundlage für LieferantInnenverhandlungen (4)
  • Verbesserung der Logistik (4)
  • Entwicklung neuer Produktideen (3)
  • Verwendung von PUIS durch die Konkurrenz (2)

6.1.3.3 AkteurInnen bei der Ein- und Durchführung des PUIS

Die wichtigsten PromotorInnen im Unternehmen für die Einführung von PUIS waren Umweltabteilungen bzw Abfall- und Umweltbeauftragte (36 Nennungen bzw 63,2%) sowie Führungskräfte (32 bzw 56,1%).

Als wichtigste externe AkteurInnen, welche bei der Einführung eines PUIS den Anstoß gaben, werden an erster Stelle Consulting- und Beratungseinrichtungen genannt (21 Nennungen bzw 39,6%), Vorgaben durch den Mutterkonzern an zweiter Stelle (14 bzw 26,4%), danach folgen Gesetzgeber und Behörden (13 bzw 24,5%). Umweltorganisationen werden noch von sieben Unternehmen genannt.

PUIS werden meist für bereits existierende Produkte oder Dienstleistungen des Unternehmens (49 Unternehmen bzw 94,2% von 52 auf diese Frage antwortenden), in 17 Fällen (32,7%) für neu entwickelte Produkte eingesetzt. Nur in wenigen Fällen wird ein PUIS auf den Vergleich von Produkten innerhalb des eigenen Unternehmens oder auf den Vergleich mit Konkurrenzprodukten angewendet.

Vor allem der zeitliche Aufwand bei der Anwendung von PUIS wird von mehr als 80% der PUIS-anwendenden Unternehmen als sehr hoch eingeschätzt:. Der personelle Aufwand wird von fast 60% der Unternehmen als hoch angegeben. Hingegen wird der ökonomische Aufwand eher positiv gesehen - nur ca. 30% der Unternehmen schätzen diesen als hoch ein.

6.2 Interviews in österreichischen Unternehmen

Im Anschluss an die Fragebogenerhebung (siehe "Schriftliche Unternehmensbefragung") wurden Interviews in ausgewählten Unternehmen durchgeführt. Ziele dieser persönlichen Interviews waren:

  • Die Ergebnisse der Fragebogenerhebung durch Fallbeispiele zu ergänzen
  • Die Hintergründe und Rahmenbedingungen für die Einführung von PUIS näher zu betrachten
  • Anforderungen an PUIS zu identifizieren, welche für Unternehmen wichtig sind
  • Mögliche branchenspezifische Unterschiede zu erkennen
  • Positive Beispiele für die erfolgreiche Anwendung von PUIS zu sammeln, um diese im Handbuch "PUIS in Theorie und Praxis" zu veröffentlichen.

In 13 Unternehmen, welche den Branchen Chemie (4), Eisen- und Metallverarbeitende Industrie (5), Elektro- und Elektronik-Industrie (2) bzw Bau (2) angehören, wurden zweistündige Interviews durchgeführt. Dabei wurden Details von bestehenden Erfahrungen mit PUIS abgefragt, die Anforderungen, welche diese Unternehmen an PUIS stellen, erhoben und Empfehlungen an andere Unternehmen, Interessensvertretungen, WissenschaftlerInnen und BeraterInnen sowie politische EntscheidungsträgerInnen abgegeben.

Von den zu erwartenden 26 methodenbezogenen Erfahrungsberichten zu 8 verschiedenen "originären" PUIS und 2 kostenbezogenen PUIS konnten nur 7 tatsächliche Erfahrungen für UBP (4 Berichte), LCA (1),Eco-Indicator (1) und SPI (1) sowie für 1 "betriebswirtschaftliche Analyse" identifiziert werden.

Sowohl KEA als auch MIPS waren mit je 6 Nennungen im Sample vertreten. In den Interviews stellte sich heraus, dass die Anwendung der Methoden "KEA" bzw "MIPS" angegeben wurde, wenn im Betrieb "Energiemanagement" bzw eine umfangreichere "Materialbewirtschaftung" durchgeführt werden. Die scheinbar leicht verständliche, weil deutsche Methodenbezeichnung scheint dabei zu Fehlinterpretationen zu führen. Möglicherweise war die dem Fragebogen beigelegte Definitionenliste nicht ausreichend und/oder wurde (auf Grund des großen Fragebogen-Umfanges) nicht gelesen. Ähnliche Schwierigkeiten mit der Bezeichnung dürften auch für "Umweltkostenrechnung" und "Flusskostenrechnung" vorliegen.

Nur in Unternehmen E1 wird das PUIS EcoIndicator routinemäßig im Zuge von Produktentwicklungen verwendet. Das PUIS Umweltbelastungspunkte (UBP) wird im Zuge von UMS regelmäßig (jährlich) auf den Standort bezogen berechnet. AnderePUIS wurden in den interviewten Unternehmen bisher meist nur als einmaliges Projekt durchgeführt. Der Anstoß wurde dabei stets extern von einer universitären Forschungseinrichtung gegeben, welche dabei auch die Methoden-Auswahl vorbestimmte. In 3 Fällen war überdies die Vorgabe des (nicht-österreichischen) Mutterkonzerns ausschlaggebend für Methoden-Auswahl und Anwendung.

Die Anwendungen der PUIS "UBP", "LCA" sowie der "betriebswirtschaftlichen Stoffstromanalyse" erfolgen auf den Standort bzw Konzern (C1) bezogen.LCA, EcoIndicator und SPI werden/wurden für Produktbewertungen eingesetzt.

6.2.1 Kostenbezogene PUIS

Die "betriebswirtschaftliche Stoffstromanalyse" des Betriebes B2 wurde einmalig im Zuge eines Projektes ausgehend vom Mutterkonzern durchgeführt. Für die Berechnungen mussten umfangreiche Daten zur Verfügung gesellt werden, welche auch auf Richtigkeit und Stimmigkeit überprüft wurden. Grundaussage der Studie war, dass über den gesamten Lebensweg gerechnet ein Betonbau um 10% billiger als ein Ziegelbau sei. Als tatsächliches Ergebnis konnte die Reduktion des Verpackungsflusses erreicht werden.

6.2.2 LCA

LCA wird vom Betrieb C1 konzernweit bei Produktneuentwicklungen eingesetzt, allerdings sind Know-How und Durchführungen nicht in Österreich vorhanden, sondern beim Mutterkonzern (in Deutschland).

6.2.3 UBP

UBP werden vom Unternehmen C1 intern für Rohstoffgruppen durchgeführt. M1, M5 und E2 berechnen UBP zur Standortbewertung im Rahmen des UMS. Alle 3 Betriebe führten diese Methode in Zusammenarbeit mit der Montanuniversität Leoben ein, z.T. in Verbindung mit Diplomarbeiten. M1 veröffentlicht UBP jährlich im Zuge der Umwelterklärung.Der Interviewpartner M1 hat im Nachhinein im Zuge einer Diplomarbeit an der Montanuniversität verschiedene PUIS einer Prüfung unterzogen und festgestellt, dass UBP für das Unternehmen am besten geeignet seien. Durch die dabei erworbene Methodenkompetenz konnte der Interviewpartner auch eine detaillierte Einblick in Vor- und Nachteile von UBP abgeben (siehe auch "Betriebliche Erfolgsstory"). Von allen Interviewpartnern gleichermaßen bemängelt wurde die mangelnde Eignung der UBP für internationale Vergleiche und Benchmarking.

An erforderlichem Aufwand wurden genannt: bei Unternehmen M1 für die Einführung 2 Personenjahre, bei E2 für Einführung 1 Personenjahr und 300 h/Jahr für laufende Betreuung. Bei Unternehmen M5 werden für die regelmäßige interne Durchführung 2 Tage veranschlagt, weil die Datenlage sehr gut ist. Bei M1 wurden nur minimale Verbesserungen erreicht. UBP eignen sich aus der Sicht des Unternehmens nicht als Steuerungsinstrument, weil das Ergebnis auf Grund des hohen Aufwands erst ¼ bis ein ½ Jahr später vorliegt.

6.2.4 EcoIndicator

EcoIndicator wird von Unternehmen E1 seit 1998 angewendet (siehe auch "Betriebliche Erfolgsstory"). Motivation für die Einführung war die Vorgabe durch den Mutterkonzern. Der Einsatz des EcoIndicator ist fixer Bestandteil der Arbeit der Entwicklungsabteilung, welche gleichzeitig auch für die Umweltagenden zuständig ist. Die Entwicklungsabteilung am Standort umfasst 140 MA, welche insgesamt ca 5 % (geschätzt) ihrer Arbeitszeit für Umweltagenden verwenden.

EcoIndicator kommt regelmäßig bei Produktentwicklungen zum Einsatz. Manchmal werden auch Vergleiche mit Konkurrenzprodukten durchgeführt. In einem vom Konzern jährlich veröffentlichten Umweltreport werden die erzielten Verbesserungen angeführt. EcoIndicator wird aber hauptsächlich konzernintern und nicht für die Öffentlichkeitsarbeit verwendet.

Das Unternehmen hat eine eigene Datenbank entwickelt, welche speziell auf die Bedürfnisse der Branche abgestimmt ist. Nach Aussage des Interviewpartners haben etliche Betriebe im Elektronikbereich eigene Datenbanken, weil die vorliegenden Daten (Software SimaPro) sind speziell für den Elektronikbereich nicht ausreichen. Dies kann allerdings zB bei Vergleichen mit Konkurrenzprodukten Schwierigkeiten mit sich bringen.

Die Gesamt-Kosten für Einführung und regelmäßige Anwendung können nicht angegeben werden; die Einführung war Konzernvorgabe und ist jetzt fester Bestandteil.

6.2.4.1 SPI

Der SPI war ein einmaliges Projekt im Unternehmen B1. In den Jahren 1997/98 wurden in Zusammenarbeit mit dem Institut für Verfahrenstechnik der TU Graz Dämmstoffe bewertet. Der Betrieb hat von 8 verschiedenen Dämmstoffen die Daten der Hersteller zusammengefasst und entsprechend weitergegeben. Außerdem wurden ein ökologischer Vergleich für Wandaufbauten, Dämmsystemen und Fenster (Holz, Alu, PVC) sowie ein Vergleich zwischen Hausneubau und Generalsanierung durchgeführt.

Der ökologische Fußabdruck von Materialien wird als ein mögliches Entscheidungskriterium (von mehreren) gesehen. Der Betrieb kann nicht immer beeinflussen, welche Materialien zum Einsatz kommen.

SPI wird vom Unternehmen als ein relativ kompliziertes Verfahren eingeschätzt. Der Interviewpartner weiß nicht, ob er SPI noch einmal verwenden würde. In der täglichen Praxis ist die Methode vom Betrieb alleine sehr schwierig durchzuführen. Für viele Anwendungsfälle wird vom Interviewpartner eine verbale Bewertung als ausreichend erachtet. Von großer Bedeutung für die Einführung des SPI war eine externe Beratung, weil die wissenschaftliche Vorarbeit nicht vom Betrieb geleistet werden kann. Unternehmensintern waren die Techniker im Rahmen der Teamsitzungen und die Rückendeckung der Geschäftsleitung wichtig. In der Phase der Projekte und der Zertifizierung war der Zeitaufwand groß. Der nötige Personalaufwand ist der kostenbestimmende Faktor. Dieser Aufwand ist aber gerechtfertigt, weil sich Optimierungsmaßnahmen oft "rechnen" oder einen "ökologischen Sinn" haben.

6.2.5 Allgemeine Erfahrungen

Es wurde übereinstimmend angegeben, dass es bei der Einführung von PUIS, Umweltmanagementsystemen und damit in Verbindung stehenden Methoden keine Hindernisse gegeben habe. Wichtig ist dabei die Rückendeckung und Unterstützung durch die Geschäftsleitung. Bei bereits längerem routinemäßigen Einsatz treten öfters Probleme durch fehlende Motivation auf. In diesem Zusammenhang wird es als besonders wichtig erachtet, alle MitarbeiterInnen regelmäßig zu informieren, zu beteiligen und zu motivieren.

Der erforderliche Aufwand sowie das Kosten/Nutzen-Verhältnis werden in der Regel nicht systematisch erhoben und können somit – wenn überhaupt – nur auf der Basis von (subjektiven) Schätzungen angegeben werden.

Externe Unterstützung wird überwiegend als wichtig, wenn nicht gar notwendig gesehen. Begründet wird dies mit der erforderlichen (Methoden-)Kompetenz, welche va in kleineren Betrieben nicht vorhanden ist, sowie mit dem "externen" Blick und der größeren Autorität, welche externe BeraterInnen mitbringen.

Die Jahreszahlen der Einführung von Umweltmaßnahmen zeigen, dass in den meisten der befragten Unternehmen erst ab Mitte/Ende der 90er Jahre, dh vor 3 – max 7 Jahren mit der Teilnahme an Programmen, Einrichtung von Umweltmanagmentsystemen oder Anwendung von PUIS begonnen wurde. Dies mag ein Indiz dafür sein, dass viele österreichische Unternehmen, va KMUs, erst am Beginn einer Entwicklung von standortbezogenen Umweltmaßnahmen zu einem Lebenszyklusdenken stehen.